veröffentlicht am: 29. April 2025|7 min Lesezeit|

Inside Amazon Vendor Management: Strategien und Insights eines Ex-Amazonian

Wenn du Amazon Vendor bist, dann kennst du das Spiel: Jahresgespräche, NetPPM, Contribution Margin, Eskalationen, und unerklärliche Rechnungskürzungen. Die Regeln macht Amazon, die Zahlen liefert Amazon, das Tempo sowieso. Aber was wäre, wenn man mal jemanden auf der anderen Seite des Tisches fragen könnte?

Einleitung

Genau deshalb habe ich Bernhard Weber eingeladen. Er war zehn Jahre bei Amazon. Dort hat er ein EU Vendor-Team für 10 Jahre geleitet. Er hat Supply-Chain-Strategien für Europa entwickelt. Außerdem hat er das Geschäft von innen gesehen. Dabei kannte er alle Tücken, KPIs und Vendoren.

Und: Er war bereit, mit uns offen zu sprechen. Keine weichgespülten Phrasen, sondern seine eigenen Erfahrungen und offene Meinung. Zusätzlich haben wir vorab unsere Vendor-Community gefragt, was sie wissen wollen. Und Bernhard hat geliefert.

Das Interview

„Ich darf weitestgehend frei plaudern“

Mit dem Satz war klar: Es wird spannend. Natürlich verrät er keine Betriebsgeheimnisse – aber wer zehn Jahre bei Amazon war, der kann mehr erzählen als jeder Pitch-Deck-Berater da draußen. Und genau das hat er getan.

NetPPM – und warum das nur die halbe Wahrheit ist

Eine Frage die mir persönlich selbst unter den Nägeln brannte war: Ob man die NetPPM eigentlich selbst berechnen kann?

Bernhards Antwort: „Ja, die NetPPM kann man sehr einfach in 2 Stufen berechnen. Zuerst berechnet man die Differenz zwischen VK und EK. […] Dann zieht man davon alles ab, was man Amazon an Konditionen gewährt. […] Dann landet man relativ einfach bei der NetPPM.“

Klingt zunächst simpel. Aber dann kommt‘s:

„Wichtig ist zu wissen, dass es bei Amazon nicht bei der NetPPM aufhört […], sondern dann kommt man zur Contribution Margin [CM] – das ist der Deckungsbeitrag, der für Amazon sehr wichtig ist.“

Das war eine wichtige Information in meinen Augen. Denn wo man sich auch umhört die meiste Zeit wird nur von der NetPPM gesprochen. Vermutlich liegt es daran, das man zur CM keinen richtigen Zugang hat als Vendor. Die CM kann man als Vendor, laut Bernhard, defacto nicht einsehen sondern nur anhand anderer Kennzahlen mutmaßen.

Bessere Konditionen durch gute CM?

Dennoch gab es eine Frage die unsere Community stark beschäftigt: Habe ich als Vendor in so einem Jahresgespräch (AVN) die Möglichkeit, meine Backend-Fees zu reduzieren oder meine EK-Erhöhungen durchzusetzen?“

Bernhards Antwort? Ehrlich und klar:

„Eindeutige Antwort – Nein. Der Vendor Manager wird dem Vendor eher eine schlechte Contribution Margin aufs Brot schmieren und als Begründung nutzen, um die NetPPM zu erhöhen.“

Ich fasse noch einmal zusammen: Wenn du dachtest, eine starke Performance öffnet dir die Tür für bessere Konditionen – falsch gedacht. Es geht darum, dass Amazon am Ende des Tages mit dir als Vendor Geld verdienen möchte und du dementsprechend den Deckungsbeitrag zu deckeln hast.
Im weiteren Verlauf gibt uns Bernhard einige Tricks und Tipps wie Vendoren das Spiel erfolgreich mitspielen können.

„Der Mensch ist die Schwachstelle“

Das war einer meiner Lieblingssätze im Gespräch. Denn bei all dem KPI-Wahnsinn, den Datenmodellen, Forecasts und Dashboards: Am Ende sitzen da Menschen. Und Menschen reagieren auf Beziehungen.
„Ich würde sagen, dass es immer gut ist, eine Beziehung aufzubauen. […] Das beruht am Ende auf Gegenseitigkeit – wie alles im Leben.“
Heißt für uns: Nicht nur über Portale und E-Mails kommunizieren. Sondern reden. Fragen. Verstehen. Klar, nicht jeder Vendor Manager lässt sich drauf ein – aber wer’s nicht versucht, hat schon verloren.

Ex-Amazonian im Interview

Amazon spielt mit Daten – also spiel mit

Für unsere Vendoren fühlt sich das oft wie David gegen Goliath an. Amazon hat die Daten, die Macht, die Prozesse. Wie soll man da was reißen?

„Die Datenverfügbarkeit ist mehr oder weniger unendlich. […] Es gibt verschiedenste KPIs nur für den Rausverkauf.“

Aber: Genau da liegt auch unsere Chance.

„Ich würde jedem Vendor empfehlen, nicht nur einfach, die Daten zu nutzen, sondern wirklich einzutauchen.“

Heißt im Klartext: Kenne deine Zahlen – besser als dein Vendor Manager. Sei vorbereitet. Denk in Szenarien. Und stelle die richtigen Fragen. Dann kannst du auch auf Augenhöhe argumentieren.

Eskalation: Wann lohnt es Lieferungen einzustellen?

Ich hab’s offen angesprochen: Was, wenn Amazon einfach keine Ware mehr bestellt? Oder ich mit den Bedingungen nicht klarkomme?

Bernhard bringt ein Beispiel, das ich so schnell nicht vergesse:

„Ein Kunde, der […] überdurchschnittlich profitabel [war], hat von sich aus gesagt, wenn Amazon die EK-Erhöhung nicht akzeptiert, stelle ich die Lieferung ein. […] Amazon hat […] gesagt: ‚Wir müssen wieder verkaufen und wir akzeptieren die EK-Erhöhung.‘“

Das ist der Punkt, an dem du am längeren Hebel sitzen kannst. Aber Vorsicht! Nur, wenn du stark genug bist. Und bereit bist, kurzfristig Umsatz zu opfern.

Wie Amazon Artikel verschwinden lässt

Eine Frage aus der Community: Warum werden manche gut laufenden Produkte plötzlich unsichtbar?
„Ja, das kann tatsächlich passieren […]. Ich habe es auch schon gehabt, dass ein Artikel versehentlich als ‚hazmet‘ (Gefahrengut) markiert wurde. […] Beispielsweise kommt im Titel das Wort Chlor vor […] und wird dann als ‚hazmet‘ geflaggt.“
Willkürlich? Vielleicht. Aber auch hier gilt: Nicht aufregen – handeln. Über den AVS gehen, sauber dokumentieren, Eskalation vorbereiten.

Lieferfenster, Shortages & Co

Meine letzte Frage an Bernhard: Gibt es gute Argumente für Lieferfensterverlängerungen?

„Ja. Immer erklären, immer mit Daten belegen. Ich würde sagen, wenn du mir das Lieferfenster um x Tage verlängerst, dann sichere ich dir zu, dass wir die Verfügbarkeit um 10% hochbekommen […]“

Und was ist mit Rechnungskürzungen?

„Ich würde immer empfehlen, Einsprüche zu erheben, das Ganze zu sammeln, mit Daten zu hinterfüttern […]. Diese Argumente sollten dann auch immer wieder mit Zahlen hinterlegt sein.“

Deaktivieren kann man’s nicht – aber ignorieren bringt auch nichts. Sammeln, strukturieren, nachfassen. Amazon vergisst nichts – also sollten wir es auch nicht.

Ex-Amazonian im Interview

Mein Fazit

Dieses Gespräch war keine Theorie – es war harte und ehrliche Praxis.

Für alle, die Amazon nicht nur als netten Zweit-Kanal sehen, sondern als echten Sparringspartner. Einen, der manchmal unfair spielt, oft übermächtig wirkt – aber mit der richtigen Vorbereitung auch in die Ecke gedrängt werden kann.

Wenn du also mit deinem Vendor Manager bald ins Gespräch gehst: Bereite dich vor. Verstehe deine Zahlen. Denk daran, das Amazon mit dir Geld verdienen will und du einen Deckungsbeitrag zu deckeln hast. Und vergiss nicht: Amazon ist mächtig – aber auch nicht unfehlbar.

Danke Bernhard, für deine Zeit und das tolle Gespräch!

Wenn ihr das nächste Gespräch mit Amazon nicht dem Zufall überlassen wollt – meldet euch bei uns.

Wir bringen euch vorbereitet an den Tisch.

FAQs

Für die AVN eindeutig die NetPPM. Denn diese kann viel stärker vom Hersteller und dem Vendor Manager beeinflusst werden (durch EKs und Konditionen). Aber wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Artikel ausgelistet wird (Crap – can’t realize any profit), ist die CM die ausschlaggebende KPI. Beide sind extrem wichtig zur Beurteilung der Vendor- bzw. ASIN Performance.

Aus Sicht des Vendors: Der Vendor Manager wird so lange versuchen zu verhandeln oder eskalieren, bis er seine Minimal-Ziele erreicht. Ein Abschluss der AVN unter dem Minimalziel ist nicht vorgesehen.

Aus Sicht des Managers: Wenn er intern gut begründen kann, dass die Ziele in dem speziellen Fall nicht durch Verhandlung erreicht werden können (z. B. weil der Hersteller durch externe Faktoren stark unter Druck steht) und sich eine Eskalation nicht lohnt (z. B. weil der Vendor sich sehr gut entwickelt und überdurchschnittlich profitabel ist), dann kann ein Abschluss unter Minimalziel genehmigt werden, wenn der Vendor Manager an anderer Stelle seine Ziele übererfüllt und dadurch kompensiert.

Externe Daten: Marktstudien, GfK, Branchenberichte, Statista, Google news (!) usw.; Oft findet man erstaunlich viele Informationen in Geschäftsberichten von Unternehmen, auch zu Online-shares und welchen Stellenwert E-Commerce in der Vertriebsstrategie einnimmt. Der Besuch von Fachmessen und Kongressen können auch hilfreich sein.

Eine andere Möglichkeit besteht durch offene bzw. konkrete Fragestellungen in Terminen, Telefonaten, Jahresverhandlungen mit dem Vendor Manager und AVS. Denn jeder Kontakt mit Amazon, sei es persönlich oder via Email ist eine Art der Verhandlung und eine Möglichkeit weitere Informationen zu sammeln. Hier kann man großen Nutzen rausziehen, insbesondere wenn man seine Daten vorab aufbereitet hat.

Für FOB mit Amazon ist keine Chinese Entity notwendig.

  • Robert Laskowski Head of Sales @AMVisor

    Dr. Robert Laskowski

    CSO

    Seit 2017 konzentriert sich Robert auf die Förderung der Vertriebsstrategie, der Geschäftsentwicklung, der Teamführung und des Umsatzwachstums bei AMVisor.

Teilen Sie diesen Beitrag!
Did we nail it or fail it? Click to decide!
Nailed itFailed it

Details, die zählen!

Details, die zählen!

Erhalten Sie exklusiven Einblicke, Artikel und Ankündigungen in Ihren Posteingang.